Die Vision von Renew Europe für einen europäischen Migrations- und Asylpakt
Die Migration ist kein neues Phänomen, sondern liegt in der Natur des Menschen. Schon seit der Antike haben Menschen ihre Heimat verlassen, um in Europa oder sogar einem anderen Teil der Welt ein neues Zuhause zu suchen, weil sie dort auf ein besseres Leben hofften oder vor Kriegen oder Krisen auf der Flucht waren. Die Globalisierung lässt die Welt heutzutage kleiner wirken. Dank der technologischen Entwicklungen kann weltweit in Echtzeit kommuniziert werden. Menschen, Gemeinschaften und sogar ganze Länder sind digital miteinander vernetzt, obwohl sie räumlich weit voneinander entfernt sind.
Unsere Umwelt und unsere Gesellschaft werden sich sowohl online als auch offline weiterhin verändern und weiterentwickeln. Der demografische Wandel, Konflikte, der Klimawandel, Veränderungen der politischen und wirtschaftlichen Weltordnung und der steigende Bedarf an Sozialleistungen sind nur einige der Herausforderungen, denen sich die internationale Gemeinschaft derzeit gegenübersieht.
In den letzten Jahren wurde deutlich, dass die derzeitige europäische Asyl- und Migrationspolitik ihren Zweck in einer sich wandelnden Welt nicht erfüllen kann. Wenn Asylverfahren nicht mehr so ablaufen wie vorgesehen, wenn der arbeitsintensivste Aspekt in Bezug auf die Blaue Karte im zugehörigen Verfahren selbst besteht, wenn durchlässige Außengrenzen zu Beeinträchtigungen der Freizügigkeit in der EU führen, wenn die Innenpolitik der EU uns daran hindert, im Ausland menschlich zu handeln, wenn wir verurteilen, dass Menschen auf See ums Leben kommen, aber an einem Asylsystem festhalten, das Menschen zur irregulären Migration zwingt, wenn sich die Rückführung abgelehnter Asylbewerber weiterhin problematisch gestaltet, wenn das einzige, was funktioniert, das Geschäftsmodell von Schleusern und Menschenhändlern ist und wenn die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten nicht zu Recht für sich beanspruchen können, die Lage unter Kontrolle zu haben, dann ist es an der Zeit für einen Migrations- und Asylpakt von Renew Europe für Europa.
Die Vision von Renew Europe für einen europäischen Mígrations- und Asylpakt zielt nicht darauf ab, für „mehr“ oder „weniger“ Migration zu sorgen, sondern darauf, transparente, menschliche und nachhaltige Vorschläge zu unterbreiten, die zeigen, dass wir die Lage unter Kontrolle haben. Bei der Migrationspolitik geht es um Menschen, und zwar um Menschen, die in Europa zu Hause sind, Menschen, die sich ein besseres Leben wünschen, und Menschen, die Schutz benötigen. Wir schlagen einen zukunftssicheren und umfassenden Ansatz für Migrations- und Asylfragen vor, der auf unseren gemeinsamen Werten der Solidarität und der Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit beruht. Daher stellen wir keinen konkreten Vorschlag heraus. Die externe Dimension der Migration, die Erneuerung unseres Asylsystems und unseres Systems für die Migration von Arbeitskräften auf solidem legalem Wege, der Kampf gegen Menschenhändler und Schleuser, die Bekämpfung der irregulären Migration, die Verbesserung unser Rückkehr- und Rückübernahmepolitik, die Stärkung unserer Außengrenzen und die Förderung offener Binnengrenzen gehen miteinander einher.
Säule 1: EINE EUROPÄISCHE MIGRATIONSPOLITIK AUS INTERNATIONALER PERSPEKTIVE
Die Migration ist ein internationales Phänomen, das außerhalb unserer Grenzen verursacht wird und daher nicht nur im Rahmen der Innenpolitik der EU angegangen werden kann. Die EU muss einen ressortübergreifenden Migrationsansatz verfolgen, bei dem auch andere relevante externe Politikbereiche wie die Außenpolitik im Allgemeinen, der internationale Handel und die Entwicklungshilfe einbezogen werden. Die Migrationspolitik sollte sogar als Eckpfeiler der externen Politikbereiche der EU fungieren. Wir müssen uns in Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern mit den Ursachen der Migration und der Vertreibung auseinandersetzen, um diese Herausforderungen bewältigen und zugleich die Chancen nutzen zu können, die die Migration bietet. Dafür muss die EU echten Einsatz für den Aufbau nachhaltiger Partnerschaften mit den Herkunfts- und Transitländern zeigen. Für diese Partnerschaften kann es keine Pauschallösung geben: Die jeweiligen Umstände der Migranten, die konkreten Gegebenheiten in den einzelnen Ländern und die europäischen Interessen müssen dabei stets berücksichtigt werden. Die Partnerschaften müssen über eine finanzielle Unterstützung hinausgehen und sich auf eine nachhaltige politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen gleichberechtigten Partnern stützen. Die Grundlage dieser Zusammenarbeit muss dabei in der gemeinsamen Übernahme von Verantwortung und der Achtung der Menschenrechte bestehen.
Daher fordert Renew Europe Folgendes:
- Einen konstruktiven Migrationsdialog mit den Herkunfts- und Transitländern, der auch auf andere Bereiche der Zusammenarbeit abgestimmt ist, um die Steuerung und die Partnerschaften in Bezug auf die Migration und die Mobilität, eine wirksame Rückkehr-, Rückübernahme- und Wiedereingliederungspolitik und die Bekämpfung von Schleuser- und Menschenhändlernetzen voranzubringen.
- Bessere legale Wege für Arbeitnehmer mit geringen, mittleren und hohen Qualifikationen in Zusammenarbeit mit Drittländern. Bei diesem Dialog sollten auch Maßnahmen zur Verringerung der Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte aus Drittländern und zur Förderung der Einwanderung solcher Arbeitskräfte in Drittländer berücksichtigt werden.
- Stärkere Bemühungen um angemessene und menschenwürdige Aufnahmeeinrichtungen in der Nähe der Heimat der Flüchtlinge, die von der EU unterstützt werden. Dafür ist eine stärkere finanzielle Unterstützung und eine verstärkte Zusammenarbeit mit internationalen Partnern wie Regierungen, dem UNHCR und der IOM erforderlich, um in Bezug auf menschenwürdige Bedingungen für Migranten in Transit- und Herkunftsländern und die Achtung ihrer Grundrechte Verbesserungen zu erzielen und diese sicherzustellen und zu überwachen. Dabei muss auch eng mit örtlichen Gemeinschaften, staatlichen Stellen und einschlägigen Partnern im Bereich der Migration zusammengearbeitet werden, um die Situation sowohl für die Aufnahmegemeinschaft als auch für die Migrantenbevölkerung zu verbessern. Flüchtlingslager dürfen nicht als Dauerlösungen angesehen werden. Angemessenen Hygienebedingungen und dem Zugang von Kindern zu Bildung wird dabei besondere Aufmerksamkeit gewidmet.
- Die Schaffung neuer sicherer und legaler Wege für Flüchtlinge, etwa im Rahmen der Zusammenarbeit mit internationalen Partnern bei Programmen zur Neuansiedlung von Flüchtlingen, die sich in sicheren Drittländern aufhalten, in der EU. Dadurch werden Flüchtlinge vor Schleusern, Menschenhändlern und einer traumatischen Reise geschützt und Länder im Krisengebiet entlastet, die Verantwortung übernehmen, indem sie Flüchtlinge aufnehmen. Die Überprüfung durch das UNHCR bietet eine Gelegenheit dafür, die schutzbedürftigsten Flüchtlinge neu anzusiedeln und den Abschluss von Neuansiedlungsprogrammen zu verbessern, und ermöglicht es den Mitgliedstaaten, sich auf die Ankunft dieser Flüchtlinge vorzubereiten.
- Gezielte und objektive Informationskampagnen darüber, was Migration wirklich bedeutet, um den Informationen von Schleusern entgegenzuwirken.
- Entwicklungs-, handels- und wirtschaftspolitische Maßnahmen, die zur Schaffung von Bedingungen beitragen, unter denen sich die Menschen zu Hause ein selbstbestimmtes Leben in Wohlstand aufbauen können. Dabei kann kein Pauschalansatz verfolgt werden, und es muss ein besonderer Schwerpunkt darauf gelegt werden, jungen Menschen den Zugang zu einer allgemeinen und beruflichen Bildung und den Erwerb von Kompetenzen zu ermöglichen, die auf die lokale Wirtschaft abgestimmt sind, um Menschen aus der Armut zu befreien.
- Nachhaltigkeit im Mittelpunkt sämtlicher Handelsabkommen und Investitionsprogramme mit Herkunftsländern. Diese Abkommen und Programme müssen darauf abzielen, langfristigen Wohlstand für beide Parteien zu schaffen.
- Die Förderung der Menschenrechte, der Demokratie und einer verantwortungsvollen Staatsführung im Mittelpunkt einer politischen Zusammenarbeit, die nicht auf eine Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit beschränkt sein darf. Ein echter Dialog mit der Zivilgesellschaft ist von erheblicher Bedeutung, um in autoritären Regimen demokratische Prozesse zu fördern und den Zusammenbruch staatlicher Strukturen zu verhindern.
- Die Bereitstellung von Mitteln über internationale Organisationen vor Ort, um sicherzustellen, dass die Unterstützung auch tatsächlich bei den hilfsbedürftigen Menschen ankommt.
Säule 2: EINE FUNKTIONIERENDE ASYLPOLITIK
Die Europäische Union beruht auf gemeinsamen Werten und der Achtung der Grundrechte und der Rechtsstaatlichkeit. Im Bereich Asyl und Migration stellen die Verpflichtungen, die die EU und ihre Mitgliedstaaten in Bezug auf die Ziele der Genfer Flüchtlingskonvention aus dem Jahr 1951 zum Schutz von Menschen, die auf der Flucht vor Krieg, ernsthaften Bedrohungen oder Verfolgung sind, eingegangen sind, einen Eckpfeiler für die Wahrung der Werte der EU dar. Diese Menschen und insbesondere Kinder benötigen und verdienen unseren Schutz. Im Rahmen des derzeitigen Asylsystems in der EU kann nicht auf die schwankende Anzahl von Neuankömmlingen, die wechselnden Herkunftsländer und die unterschiedlichen Gründe für die Migration reagiert werden. Diese Unvorhersehbarkeit hat die europäische Solidarität und die gleichmäßige Lastenverteilung beeinträchtigt. Es muss nicht nur auf eine Migrationspolitik hingearbeitet werden, die auf verstärkten Bemühungen um die Bereitstellung angemessener Unterkünfte in der Nähe der Heimat der Menschen und die Schaffung sicherer und legaler Einreisewege in die EU beruht, sondern es ist auch eine Reform der Asylpolitik erforderlich.
Daher fordert Renew Europe Folgendes:
- Europäische Aufnahmezentren an den Hauptankunftsorten irregulärer Neuankömmlinge in der EU in Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, lokalen staatlichen Stellen, dem EASO, der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache, Europol, der IOM und nichtstaatlichen Organisationen. Die Länder in Europa sind unbeschadet des Zugangs zu Asylverfahren andernorts in der EU gemeinsam dafür verantwortlich, Neuankömmlingen an den europäischen Aufnahmezentren angemessene und menschenwürdige Unterkünfte und humane Aufnahmebedingungen zu bieten.
- Die Registrierung von Antragstellern unmittelbar nach ihrer Ankunft und verbindliche Sicherheitskontrollen bei allen Antragstellern, in deren Rahmen ein Abgleich mit allen einschlägigen einzelstaatlichen und europäischen Datenbanken erfolgt.
- Die Entwicklung eines Solidaritätsmechanismus, durch den sichergestellt wird, dass sich die Mitgliedstaaten gleichermaßen solidarisch zeigen und sich die Verantwortung gerecht teilen, wobei die Umverteilung auf der Grundlage objektiver Kriterien erfolgt.
- Die Einführung eines sorgfältig abgestimmten Filters. Antragsteller, die auf der Grundlage des Filters nur sehr geringe Chancen darauf haben, als legale Flüchtlinge anerkannt zu werden, werden nicht umverteilt. Soweit dies angemessen und möglich ist, werden die Rückkehrentscheidungen für solche Antragsteller ohne unnötig lange Aufenthaltszeiten im jeweiligen europäischen Aufnahmezentrum bearbeitet. Die konkrete Bewertung des Asylantrags bleibt von diesem Verfahren unberührt.
- Die Teilnahme von Antragstellern, deren Antrag offensichtlich begründet ist, am Solidaritätsmechanismus, wobei — sofern relevant — auch erwiesene Verbindungen zu bestimmten Mitgliedstaaten berücksichtigt werden.
- Die stärkere Steuerung der Asylpolitik der EU und die Anpassung der Ressourcen, um die bessere Optimierung von Asylverfahren und operativen Normen über die Mitgliedstaaten hinweg sicherzustellen. Die Asylbehörden in den Mitgliedstaaten sollten relevante Informationen untereinander austauschen, um Asylanträge zügig, aber angemessen zu bearbeiten und dadurch die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei ähnlichen Anträgen so gering wie möglich zu halten und auf den gemeinsamen Kenntnissen über den Umgang mit Anträgen aus bestimmten Ländern aufzubauen. Dadurch wird die gegenseitige Anerkennung von Asylentscheidungen und somit auch eine umfassende europäische Zusammenarbeit gefördert.
- Die Verbesserung der Qualität der Entscheidungsfindung in Antragsverfahren, wodurch unnötige, langwierige Beschwerdeverfahren und unnötige Wartezeiten, bevor die Antragsteller ihr neues Leben in der Aufnahmegesellschaft beginnen können, vermieden werden.
- Die ordnungsgemäße Umsetzung aller einschlägigen Asylgesetze und sonstigen Rechtsvorschriften im Bereich des Asyls durch die Mitgliedstaaten und die Verstärkung der Bemühungen der Europäischen Kommission um die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Umsetzung dieser Rechtsvorschriften.
- Die Vollendung der Umwandlung des EASO in eine vollwertige Asylagentur der EU (EUAA). Die EUAA muss als wahrhaft hybride Agentur fungieren, über angemessene Ressourcen verfügen, dafür zuständig sein, die technische und operative Unterstützung der Mitgliedstaaten zu überwachen, und dazu in der Lage sein, diese Unterstützung zu gewähren, und dabei zügige und gründliche Verfahren sicherstellen, um Klarheit für Asylbewerber zu schaffen und die Kohärenz zwischen den Mitgliedstaaten zu erhöhen.
- Die Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, des Informationsaustauschs und der Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten, um das Problem vermisster (unbegleiteter) Kinder anzugehen, wobei wirksame Mechanismen zur Bekämpfung des Risikos des (erneuten) Menschenhandels eingeführt werden.
- Untersuchungen zu den Motivationen der Migranten und den von ihnen genutzten Wegen, um die Asylpolitik der EU weiter zu verbessern.
Säule 3: EINE NACHHALTIGE RÜCKKEHR- UND RÜCKÜBERNAHMEPOLITIK
In den vergangenen Jahren wurden Herausforderungen und Mängel im Hinblick auf unsere Rückkehr- und Rückübernahmepolitik deutlich. Nicht alle Personen, die Asyl in der Europäischen Union beantragen, fliehen vor Krieg oder aufgrund von ernsthafter Gefährdung oder Verfolgung, sondern auch infolge mangelnder legaler Wege in die EU. Auf die Ablehnung der Asylanträge folgen aufgrund praktischer und rechtlicher Hindernisse nicht automatisch die Rückkehr und die Rückübernahme. Dies stellt nicht nur eine Belastung für die lokalen Einrichtungen und die Unterstützung durch die Zivilgesellschaft, sondern auch für die Betroffenen selbst dar. Neben den gesteigerten Bemühungen, die Wiedereingliederung der Betroffenen in Drittstaaten zu erleichtern und die Dauer der Unsicherheit so gering wie möglich zu halten, muss die EU ihre Bemühungen um die Rückkehr und die Rückübernahme verstärken.
Daher fordert Renew Europe Folgendes:
- Eine Intensivierung der Bemühungen, um die freiwillige Rückkehr zu steigern, da sie sich als nachhaltiger erweist, und um das Problem anzugehen, dass sich Zwangsrückführungen in bestimmte Drittstaaten häufig als nahezu unmöglich erwiesen haben.
- Eine Verbesserung des Informationsaustauschs und der Koordinierung im Zusammenhang mit abgelehnten Asylanträgen, um Rückkehr- und Rückübernahmeverfahren abzuwickeln.
- Eine europäische Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten im Bereich der Rückkehr und Rückübernahme mit ausreichenden operativen Kapazitäten innerhalb der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex).
- Die gegenseitige Anerkennung von Rückkehrentscheidungen im Einklang mit den erforderlichen Garantien in Bezug auf die Grundrechte, indem die europäische Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten gefördert und gemeinsame, von Frontex organisierte Rückführungsaktionen verstärkt werden.
- Den Abschluss neuer formeller Abkommen mit sicheren Drittstaaten betreffend die Rückkehr und Rückübernahme im Einklang mit dem Völkerrecht und den Grundrechten. Bestehende Rückübernahmeabkommen müssen wirksam umgesetzt werden. Diese Abkommen betreffen die angemessene Wiedereingliederung, mit der die Rückkehr und die Rückübernahme gestärkt werden sollen.
- Die Nutzung maßgeschneiderter Instrumente wie zielgerichtete Anreize in Bezug auf Visa für kooperierende Staaten oder Visa-Sanktionen, um eine wirksame Rückkehr- und Rückübernahmepolitik durchzusetzen, wenn die Umsetzung internationaler Abkommen scheitert.
Säule 4: GUTES GRENZMANAGEMENT AN DEN LAND- UND SEEAUẞENGRENZEN
Die Freizügigkeit innerhalb des Schengen-Raums ist eine der größten Errungenschaften der europäischen Integration. Die EU braucht starke Außengrenzen, damit die Freizügigkeit gewahrt und der weitere Abbau von Binnengrenzen innerhalb der Union erleichtert werden. Unsere europäischen Grenzen werden durch zahlreiche Gesetze und sonstige Rechtsvorschriften reguliert, die über die Migrationssteuerung hinausgehen. Unsere gemeinsamen Außengrenzen sorgen ferner für die Sicherheit der Bürger. Die betreffenden Mitgliedstaaten sind zwar für den Schutz dieser Grenzen verantwortlich, aber die Union sollte sich solidarisch zeigen und durch die starke Präsenz der Europäischen Grenz- und Küstenwache (Frontex) an unseren Außengrenzen Unterstützung leisten. Daher ist es erforderlich und zugleich begrüßenswert, die operativen Kapazitäten der Agentur zu stärken.
Unser Grenzmanagement sollte einerseits auf die Sicherheit und die Anpassungsfähigkeit im Krisenfall und andererseits auf Innovationen und die Umsetzung neuer Technologien ausgerichtet sein. In diesem Zusammenhang fordert Renew Europe Folgendes:
- Die Interoperabilität in den Bereichen Visa und Grenzen, um für einen besseren Informationsaustausch sowie schnelle und gründliche Kontrollen an den EU-Außengrenzen zu sorgen. Alle einschlägigen EU-Datenbanken sollten einbezogen werden.
- Die Umsetzung und Durchsetzung der Registrierungspflichten beim Übertreten von Grenzen des Schengen-Raums durch die Mitgliedstaaten. Die Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen werden zusätzliche Unterstützung erhalten, um diese Pflichten zu erfüllen.
- Die verstärkte Nutzung innovativer Analysen beim Grenzmanagement, um unseren Wissensstand zu verbessern und die operative Unterstützung entsprechend anzupassen, beispielsweise indem die zuständigen Einwanderungsbehörden im Einklang mit den EU-Standards für den Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre auf anonyme Statistiken zugreifen können. Dies wird zu einem besseren Verständnis des Migrationsverhaltens beitragen.
- Die Entwicklung politischer Maßnahmen, um ungewollter Sekundärmigration innerhalb der Union entgegenzuwirken, indem beispielsweise die Aufnahmebedingungen angeglichen werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass es sich beim Schengen-Raum um einen Raum ohne Binnengrenzen handelt.
Bei dem Versuch, die europäischen Küsten zu erreichen, kommen täglich zahlreiche Menschen auf See ums Leben. Neben unserem Bestreben, menschliche Tragödien zu verhindern, bedarf es in Situationen, in denen Menschen trotz dieser Anstrengungen in Seenot sind, einer umfassenden europäischen Koordinierung. Ein umfassendes Migrationskonzept bedeutet auch, das zynische Geschäftsmodell von Menschenhändlern und Schleusern zu bekämpfen. Die Verantwortung, Menschen daran zu hindern, sich an Bord unsicherer Boote zu begeben und in die Netze krimineller Mafiastrukturen zu geraten, obliegt der internationalen Gemeinschaft, indem sie sichere Orte für Flüchtlinge in der Nähe ihrer Herkunftsländer sowie sichere und legale Eintrittswege in die EU schafft.
Daher fordert Renew Europe Folgendes:
- Eine ausreichende operative Unterstützung innerhalb der Europäischen Grenz- und Küstenwache (Frontex), um Menschen in Not Hilfe zu leisten und über angemessene Rettungskapazitäten in der Nachbarschaft zu verfügen, wenn eine Rettungsaktion beginnt. Such- und Rettungsaktionen stehen weiterhin unter dem Kommando der nationalen Seenotrettungsleitstellen.
- Ein koordiniertes und verbessertes europäisches Handeln auf dem Gebiet der Such- und Rettungsaktionen zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und der Europäischen Grenz- und Küstenwache (Frontex) ist erforderlich, um gleichzeitig einen nachhaltigen Ansatz für Migration zu erarbeiten.
- Die zentrale Koordinierung der Such- und Rettungsaktionen durch die nationalen Seenotrettungsleitstellen bei uneingeschränkter Einhaltung des Völkerrechts und der EU-Rechtsvorschriften, um Menschen in Not angemessene erste Hilfe zu leisten und über einen sicheren Ort für die Ausschiffung zu verfügen. Private Schiffe können diese Rettungsaktionen in Abstimmung mit den nationalen Seenotrettungsleitstellen unterstützen. Humanitäre Hilfe, die im Rahmen dieser Rettungsaktionen geleistet wird, darf nicht kriminalisiert oder Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung werden.
- Eine gestärkte Europäische Grenz- und Küstenwache sollte die Schulungsprogramme und die Zusammenarbeit mit den europäischen und, soweit erforderlich, mit den internationalen Küstenwachen ausbauen, um den Wissensstand und die Expertise, darunter auf dem Gebiet der einschlägigen Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften, zu verbessern.
- Den Ausbau der Kapazitäten mit Europol und Eurojust bei der Bekämpfung von Menschenhandel und Schleusernetzen, wobei insbesondere darauf abgezielt wird, Opfer und schutzbedürftige Migranten wie Kinder zu schützen.
Säule 5: EINE KOORDINIERTE EUROPÄISCHE ARBEITSMIGRATIONSPOLITIK
Angesichts des demografischen Wandels muss die EU für Arbeitnehmer mit geringer und mittlerer Qualifikation und für hochqualifizierte Arbeitnehmer attraktiver werden, um auf den zunehmenden Mangel an Arbeits- und Fachkräften in den EU-Mitgliedstaaten zu reagieren und für fortwährenden Wohlstand und anhaltende Wettbewerbsfähigkeit zu sorgen. Während dies weiterhin hauptsächlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, sollte die EU einen umfassenden Rahmen schaffen, damit eine ordnungsgemäße Arbeitsmigration möglich ist und vermieden wird, dass Migranten dazu gedrängt werden, irreguläre Migrationswege zu nutzen. Wir müssen die legalen Wege in die Europäische Union verbessern und die Nachteile überwinden, die sich aus dem derzeitigen asymmetrischen Flickenteppich einzelstaatlicher Rechtsvorschriften ergeben, die häufig sehr bürokratische Verfahren nach sich ziehen Die Arbeitsmigration kann, sofern sie gut ausgestaltet, menschlich und gut gesteuert ist, sowohl für die Herkunfts- als auch für die Aufnahmeländer eine Quelle von Wohlstand, Innovation und Wachstum sein.
Daher fordert Renew Europe Folgendes:
- Ein unbürokratisches, einheitliches Antragsverfahren für Arbeitnehmer mit geringer und mittlerer Qualifikation und für hochqualifizierte Arbeitnehmer. Dieses wird auf einem europäischen Pool von Talenten beruhen, der ausgehend von den Kompetenzen der Bewerber erstellt wurde und woraus die Mitgliedstaaten bestimmte Kompetenzen auswählen und so der Nachfrage des jeweiligen nationalen Arbeitsmarktes nachkommen können. Dies wird dem derzeitigen Missverhältnis zwischen Fachkräfteangebot und ‑nachfrage abhelfen. Die Beteiligung der Mitgliedstaaten an diesem Pool würde freiwillig bleiben. Dies sollte durch die verstärkte Koordinierung zwischen nationalen Behörden und Programmen ergänzt werden, damit den nationalen Besonderheiten und der unterschiedlichen Nachfrage der einzelstaatlichen Arbeitsmärkte Rechnung getragen werden kann. Die EU-Rechtsvorschriften dienen als Instrument für die Verbesserung der Verfahren.
- Es soll ein Rahmen für ein europäisches „Punktesystem“ entwickelt werden, um der Nachfrage in den einzelnen Ländern nachzukommen und gleichzeitig die zirkuläre Migration zu ermöglichen und zu erleichtern.
- Eine Beschleunigung der gegenseitigen Anerkennung von Kompetenzen und Abschlüssen zwischen Drittstaaten und der EU sowie innerhalb der Union. Wir müssen mehr Zeit in die Entwicklung von Partnerschaften mit Herkunftsländern investieren, um die Mobilität und die Aus- und Weiterbildung von Auszubildenden, Studierenden und Arbeitnehmern zu erhöhen und den Transfer erworbener Fähigkeiten zwischen den beiden Volkswirtschaften zu ermöglichen. Die Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten und den Herkunftsländern (Behörden auf allen Ebenen) ist von zentraler Bedeutung, um dem konkreten Arbeitskräftemangel auf beiden Seiten entgegenzuwirken und die Zuwanderung von hochqualifizierten Arbeitskräften zu ermöglichen.
- Arbeitsgenehmigungen, egal ob unbefristet oder befristet, um den Migranten nicht nur eine langfristige Perspektive (Erwerb des Rechts auf unbefristeten Aufenthalt, Staatsangehörigkeit) zu bieten, sondern auch die zirkuläre Mobilität, in deren Rahmen die Menschen in ihre Herkunftsländer zurückkehren können (Zuwanderung von hochqualifizierten Arbeitskräften), zu ermöglichen.
- Ein neues EU-Visum für Start-ups und Unternehmer, um innovative Köpfe aus Drittstaaten anzulocken.
- Eine „Kursänderung“, um auf dem Potenzial gut integrierter Flüchtlinge aufzubauen, indem ihnen die Möglichkeit eingeräumt wird, ein Visum für Arbeitsmigration zu beantragen, wenn ihr Anspruch auf Schutz abgelaufen ist und sie gut integriert sind.
- Anträge auf Arbeitsgenehmigungen aus Herkunfts- und Transitländern (Online, Botschaften, Konsulate) sollten vorrangig behandelt werden. Dadurch werden Migranten von der irregulären Migration abgebracht, und zugleich wird das Asylsystem entlastet, das derzeit durch Arbeitsmigranten belastet wird, die Asyl beantragen.
- Regelmäßige Gipfeltreffen zwischen der EU und Drittstaaten, um sich über bestimmte Kompetenzen und Arbeitsmarktziele zu verständigen — als Teil eines umfassenderen Dialogs im Bereich Migration.
-Zielgerichtete Informationskampagnen, um die Unterstützung der Öffentlichkeit für die Einwanderung in die EU und in Herkunftsländer zu stärken. Für einen positiven Diskurs ist es entscheidend, den Mehrwert der legalen Migration aufzuzeigen.
- Die Mitgliedstaaten sollten nachhaltige Lösungen entwickeln, um der informellen Wirtschaft entgegenzuwirken und die Ausbeutung illegal Beschäftigter zu verhindern.
- Die Kommission sollte Lösungen entwickeln, um dem Missbrauch der Staatsbürgerschaftsregelungen für Investoren („goldene Reisepässe“) und dem Missbrauch der Aufenthaltsregelungen für Investoren („goldene Visa“) ein Ende zu bereiten, da sie eine Gefahr für die EU und die Mitgliedstaaten darstellen, insbesondere in Bezug auf die Sicherheit, die Geldwäsche und die Korruption.
Säule 6: EIN NACHHALTIGER INTEGRATIONSANSATZ
Die Integration von Flüchtlingen und Arbeitsmigranten ist eine notwendige Voraussetzung für den langfristigen Erfolg unserer Asyl- und Migrationspolitik. Während dies weiterhin überwiegend in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, ist ein neuer Ansatz, der von der EU gefördert wird, erforderlich, um ein Klima der Akzeptanz in der Gesellschaft zu begünstigen, insbesondere, wenn Flüchtlinge und Arbeitsmigranten die Anforderungen für einen dauerhaften Aufenthalt erfüllen. Nachhaltige Integrationsstrategien stellen notwendige und lebenslange Investitionen in die Menschen und somit auch eine Investition in die Gesellschaft in den Herkunfts- und den Aufnahmeländern dar. Der Bildungserwerb und der Erwerb von Kompetenzen sind eine Investition für die Menschen, die in ihre Heimat zurückkehren, und eine Investition in die Länder, die sich von den Folgen des Krieges erholen.
Daher fordert Renew Europe Folgendes:
- Die Mitgliedstaaten müssen, sofern dies noch nicht geschehen ist, eine Integrationspolitik entwickeln. Die nationale Integrationspolitik soll durch EU-Finanzmittel unterstützt werden, und ihre angemessene Umsetzung soll entsprechend überwacht werden. Die Strategien sollten auf die örtlichen Gegebenheiten und Entwicklungen zugeschnitten und in Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden ausgestaltet werden. Nichtstaatliche Organisationen können eine zentrale Rolle bei der operativen Unterstützung spielen.
- Einen besonderen Schwerpunkt auf die Integration vor der Ankunft und nach der Ankunft zu legen. Es ist entscheidend, dass Flüchtlinge und Migranten rasch an geeigneten Sprachkursen und Bildungsprogrammen teilnehmen sowie berufliche Chancen ergreifen und Ausbildungsmöglichkeiten nutzen können und dass sie vor oder nach ihrer Ankunft rasch administrative Unterstützung erhalten.
- Die Mitgliedstaaten sollten die Erfahrung gut integrierter Migranten nutzen, die Zivilgesellschaft heranziehen und auf Erkenntnisse aus den bestehenden Integrationsprozessen zurückgreifen, um Integrationsprogramme für Neuankömmlinge zu entwickeln.
- Den Zugang zum Arbeitsmarkt als entscheidenden Schritt bei der Integration sowohl von Flüchtlingen als auch von Arbeitsmigranten. Sofern sie die Anforderungen erfüllen, sollten Flüchtlinge unter denselben Bedingungen wie Arbeitsmigranten Zugang zu Beschäftigungen erhalten.